Sport und Infekte: Warum eine ausreichende Sportpause notwendig ist, um Komplikationen zu vermeiden
„Auch Leistungssportler*innen dürfen gewöhnliche Erkältungen und andere Erkrankungen wie zum Beispiel Grippe, Infektionen mit dem RS-Virus (RSV), COVID oder Magen-Darm-Infekte nicht auf die leichte Schulter nehmen: Durch eine unzureichende Sportpause können Infekte von einer verlängerten Verringerung der Leistungsfähigkeit bis hin zu schwerwiegenden Organbeteiligungen wie z. B. einer Herzmuskelentzündung führen“, warnt Univ.-Prof. Dr. med. Jürgen Scharhag, Ärztlicher Leiter des Österreichischen Instituts für Sportmedizin in Wien. „Belasten sich Sportler*innen zu früh wieder körperlich, ist ihr Risiko für akute und chronische Komplikationen – von Herzrhythmusstörungen über Herzschwäche (Herzinsuffizienz) bis zum plötzlichen Herztod – erhöht.“
Risikofaktor Sport nach Infekt
Damit es bei einem Infekt der Atemwege, einer echten Grippe (Influenza) oder einem Magen-Darm-Infekt nicht zu weiteren Komplikationen kommt, sollten Sportler*innen generell für die Dauer der Erkrankung auf körperliches Training verzichten. „Steigen Sie erst dann wieder in die sportlichen Aktivitäten ein, wenn Sie sich wirklich wieder fit fühlen“, rät Univ.-Prof. Scharhag.
Wie lange die Sportpause sein sollte, lasse sich nicht pauschal sagen, denn: „Je nach Virus oder Bakterium und Sportler*in verlaufen Infekte unterschiedlich.“ Meist liege man bei einem gewöhnlichen Infekt der oberen Atemwege mit einer Sportpause zwischen sieben und 14 Tagen richtig. Im Vergleich dazu muss man bei einer Influenza eher mit einer längeren Sportpause von ca. 2 bis 4 Wochen rechnen. „Vor dem sportlichen Wiedereinstieg („Return to Sports“) sollte zunächst eine symptomfreie und gute Belastbarkeit im Alltag vorliegen (z. B. beim Treppensteigen) und zunächst mit niedrigen, sog. regenerativen Belastungsintensitäten an den ersten Trainingstagen begonnen werden. Können diese problemlos absolviert werden, kann die Trainingsintensität über die nächsten Tage nach subjektivem Empfinden weiter stufenweise gesteigert werden.“
So lange sollten Sportler*innen pausieren
Wie lange man in Abhängigkeit des Ausmaßes eines Infekts etwa pausieren sollte, kann den nachfolgenden Empfehlungen entnommen werden:
- Leichte Erkältungssymptome bis zum Hals
Kein Training, bis die Symptome völlig weg sind – dies gilt bei leichten Kopfschmerzen, Schnupfen, Halskratzen, Halsschmerzen und Rachenentzündung. Univ.-Prof. Scharhag empfiehlt, zunächst darauf zu achten, wie man Belastungen im Alltag verträgt und rät danach zu einem sanften Wiedereinstieg: „Starten Sie bei guter Leistungsfähigkeit im Alltag wieder behutsam mit lockerem Training über ein bis zwei Wochen. Bei Unklarheiten hinsichtlich der Belastbarkeit stellen Sie sich sicherheitshalber beim Hausarzt vor.“ - Erkältungssymptome unterhalb des Halses
Sportpause und danach eine ärztliche Untersuchung, dazu rät Univ.-Prof. Scharhag bei Fieber über 38° C, Luftröhrenentzündung (Tracheitis) oder Entzündung der Bronchien (Bronchitis). Völlige Beschwerdefreiheit und Gesundheit sind Voraussetzung für den Wiedereinstieg. Das könne zwei bis vier Wochen dauern. Die klare Vorgabe des Sportkardiologen: „Lassen Sie sich untersuchen, bevor Sie wieder Sport machen.“ Falls erforderlich, kann die körperliche Untersuchung durch die Untersuchung von Blutwerten, Ruhe- und Belastungs-EKG ergänzt werden. - Schwere Erkrankung mit stationärer Behandlung
Eine Sportpause, danach eine sportmedizinische Untersuchung und gegebenenfalls zusätzlich eine fachärztliche Abklärung – dies ist das empfohlene Vorgehen nach einer schweren Infektionserkrankung. Sie gibt eine längere Pause von selbst vor. Danach ist eine sportmedizinische Untersuchung und je nach betroffenen Organen gegebenenfalls auch die Abklärung durch einen Facharzt nötig. - Herzmuskelentzündung (Myokarditis)
Seit der COVID-Pandemie wissen wir Mediziner*innen, dass das Risiko einer begleitenden Herzmuskelentzündung durch COVID bei (Leistungs-)Sportler*innen bei ein bis zwei Prozent liegt. Für andere Infektionskrankheiten haben wir für begleitende Herzmuskelentzündungen bei Sportler*innen bisher leider keine vergleichbaren wissenschaftlichen Daten vorliegen. Aber das Risiko dürfte in ähnlichen Bereichen liegen.
Hat sich eine Herzmuskelentzündung entwickelt, ist eine Sportpause von mindestens drei Monaten erforderlich. „Wer sich mit einer Herzmuskelentzündung zu früh wieder körperlich belastet, hat ein stark erhöhtes Risiko für akute und chronische Komplikationen – von Herz-Rhythmusstörungen über Herzschwäche (Herzinsuffizienz) bis zum plötzlichen Herztod“, erklärt der erfahrene Mediziner.
Gesundheitscheck vor dem Wiedereinstieg ins Training
Um bei Unklarheiten zum Gesundheitsstatus nach einem Infekt Gewissheit über ihren individuellen Gesundheitsstatus und ihre körperliche Belastbarkeit zu bekommen, empfiehlt der Mediziner vor der Rückkehr ins Training einen internistisch-kardiologischen Gesundheitscheck – unter anderem mit Laboruntersuchungen, Lungenfunktionsprüfung, Ruhe-EKG, Belastungs-EKG (Ergometrie), Spiroergometrie und Herz-Ultraschall. Welche Untersuchungen zur Feststellung der Sporttauglichkeit jeweils sinnvoll sind, wird individuell je nach klinischem Bild und Verlauf entschieden. „Auf Basis der Ergebnisse kann individuell entschieden werden, was wieder möglich ist und was noch nicht, und wie das Training bis zur vollständigen Wiederherstellung der ursprünglichen Leistungsfähigkeit gesteuert werden sollte“, so der Teamarzt der U21-Nationalmannschaft des DFB, des OeSV und des ÖRV.
Return to Sports im (Hoch-)Leistungssport nach COVID
Um Risiken durch ein zu frühes Training oder einen zu baldigen Eintritt ins Wettkampfgeschehen nach einer Erkrankung mit SARS-CoV2 (COVID) insbesondere im Leistungssport bestmöglich zu vermeiden, haben die sportmedizinischen Universitäts- und Landesinstitute Wien, Salzburg und Innsbruck während der COVID-Pandemie angepasste Konsensus zum „Return to Sports“ verfasst.
Diese Übersichten sollten ärztlichen Kolleg*innen, betroffenen Sportler*innen sowie deren Betreuer*innen helfen, je nach Erkrankungssymptomatik abzuschätzen, wie lange die Sportpause sein sollte und welche Untersuchungen für Sportler*innen nach einer überstandenen Covid-19-Erkrankung zur Beurteilung ihrer Sporttauglichkeit sinnvoll sind. Die Empfehlungen sind auch für Freizeitsportler*innen anwendbar. Zudem haben führende Sportmediziner*innen im DGSP-Wissenschaftsrat, darunter auch unser Ärztlicher Leiter, Univ.-Prof. Scharhag, Handlungsempfehlungen für den Wiedereinstieg in den Sport nach COVID veröffentlicht.
➔ Return to Sports nach Covid-19: Konsensus der sportmedizinischen Universitätsinstitute Salzburg, Innsbruck und Wien (aktualisiert am 05.08.2022)
➔ Return to Sports nach Covid-19: Konsensus der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, Mai 2022)
➔ Plädoyer für individuelle Strategien zur Sportpause nach Covid-19 (kicker, 07.04.2022)
➔ Return to Sports nach Covid-19 – Artikel von Univ.-Prof. Scharhag und Dr. Hofbauer (Sportärztezeitung, 09.03.2022)